Auf Anhieb kommt uns eigentlich kein einziger guter Grund in den Sinn, der für anonyme Internetkommentare spricht (so lange die betroffenen User in einer westlichen Demokratie leben und nicht befürchten müssen, dass sie für ihre Meinungsäusserung von den Autoritäten zur Rechenschaft gezogen werden). Im Gegenteil: Die Anonymität des Internets hat vielerorts zu einem regelrechten Sittenzerfall geführt. Vor allem auf News-Sites, die mit politischen Neuheiten hausieren, laufen die Beschimpfungen anonymer Leser schnell mal aus dem Ruder. Viel schlimmer noch, als im deutschsprachigen Raum, zeigt sich das in der angelsächsischen Welt. Was da an Wut und Hass im Internet abgelassen wird, ist beängstigend. Natürlich sind solche Kommentare in mehrerer Hinsicht wertlos: Wer nicht mit seinem Namen zu seiner Meinung stehen mag, sollte sie auch nicht im Web publizieren – anonyme Mitteilungen wurden, bis auf wenige Ausnahmen, schon Jahrhunderte, bevor es das Internet gab, als wertlos und oft auch als bösartig qualifiziert. Anonymität heisst in diesem Zusammenhang oft Feigheit und schadet deshalb dem Diskurs. Leser können ausserdem anonyme Kommentare nicht richtig gewichten, weil sie nie so richtig wissen, woher denn diese Meinung eigentlich kommt. Und schliesslich: Werber hassen bösartige, hasserfüllte Umgebungen, damit lässt sich kein Geld vedienen! Das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass sich nun in den digitalen Medien auf breiter Basis Widerstand gegen diese Unsitte breit macht, wie verschiedenerorts berichtet wird:
“Um zu verhindern, dass sich Leser hinter fiktiven User-Namen verstecken und ungeniert mit rüden Wortmeldungen um sich werfen können, wollen die großen US-Zeitungen künftig auf eine härtere Kommunikationspolitik setzen. […] "Es ist ein unumstrittenes Faktum, dass Nachrichtenseiten Abstand von anonymen Kommentaren nehmen sollten", schreibt etwa Leonard Pitts Jr., Kolumnist beim Miami Herald. Die Anonymität habe dazu geführt, dass aus Online-Foren "Zufluchtsorte der Grausamkeit, Bigotterie, Gemeinheit und blanker Bosheit" geworden seien.“In einem Artikel zum Thema weißt die New York Times daraufhin, dass Anonymität schon in den Anfängen des Internets eine akzeptierte Tatsache war und verweist auf eine Karrikatur die 1993 im New Yorker Magazin erschienen ist. Da sitzt ein Hund vor seinem PC und erklärt einem anderen Hund, der wedelnd daneben sitzt: “Im Internet weiss niemand, dass du ein Hund bist…“.
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