Wie gut – oder wie schlecht – sind die digitalen Ausgaben der grossen Schweizer Tageszeitungen? Handelt es sich dabei ganz einfach um die aktualisierten Internetversionen der traditionellen Ausgaben, oder entwickelt sich da eine parallele Newsfront, die den qualitativen Ansprüchen nicht zu genügen mag?
Newsnet.ch von der Tamedia AG: Nachrichtenplattform oder News-Galeere? |
Eines ist sicher: Man darf die verschiedenen Online-Medien nicht in einen Topf werfen, was die Qualität betrifft. Tatsächlich gibt es zum Beispiel zwischen den digitalen Ausgaben der NZZ, des Tagis und des Blicks beträchtliche Qualitätsunterschiede, die nicht nur mit den Realitäten des Internetjournalismus zu tun haben, sondern – vor allem was den Blick betrifft – auch mit dem inhaltlichen Konzept. Trotzdem darf man sagen, dass sich der digitale Journalismus in eine Richtung entwickelt hat, die viele negative Nebenwirkungen zeigt. Das demonstriert auch ein aktueller Artikel des digitalen Medienmagazins “Medienwoche“ sehr deutlich am Beispiel der Tamedia-Nachrichtenplattform “Newsnet“, zu der neben dem Tagi auch die Basler Zeitung, die Berner Zeitung und der Bund gehören. Abgesehen davon, dass Newsnet unter verschiedenen Zeitungstiteln, abgesehen von lokalen News, schweizweit den gleichen Tamedia-Einheitsbrei verbreitet, scheinen auch die Arbeitsbedingungen und damit auch die journalistische Qualität nicht über viele Zweifel erhaben zu sein. Zitat:
“Seit dem Start der Onlineplattform Newsnetz sind die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten belastend. Stellenwechsel und Abgänge gehören zur Tagesordnung. «Arbeitslose Journalisten gehen lieber stempeln, als bei Newsnetz zu arbeiten», sagen Ehemalige übereinstimmend. […] Die Frontseite auf Tages-Anzeiger online wird so zum unübersichtlichen Durchlauferhitzer für Geschichten. Wie lange sie auf der Front bleiben, hängt einzig von den Zugriffszahlen ab. Mit zweifelhaften Folgen: Am Ende eines Wahltages etwa erfährt man auf der Newsnetz-Frontseite nicht mehr, wer eigentlich gewählt wurde. «Aus meiner Zeit als Chef von 20 Minuten Online weiss ich, dass die Nutzungsintensität zunimmt, wenn das Tempo hoch ist», sagte Wälty vor knapp dreieinhalb Jahren zum Start von Newsnetz. Doch das gilt heute offenbar nur noch begrenzt, denn es ist kein Naturgesetz, wonach eine hohe Publikationsfrequenz alleiniger Erfolgsgarant ist. […]Beim rasanten Produzieren von Inhalten bleiben viele Geschichten an der Oberfläche oder auf dem Boulevard, wie etwa jüngst eine Strassenumfrage, ob der Grünliberale Martin Bäumle als Politiker noch tragbar sei, nachdem er eine Stripteasetänzerin aus der Ukraine geheiratet hatte. Das wirkt sich auch auf die Qualitätsmarke Tages-Anzeiger aus.“Digitale Medien sind mit ihren ständigen Updates sicher die bevorzugte Informationsquelle für News-Junkies. Allerdings sollten sich die Leser bewusst sein, wie solche Stories zu Stande kommen. So fällt zum Beispiel beim Online-Tagi auf, dass viele Geschichten über die USA schlicht aus amerikanischen Medien übernommen, übersetzt und dann, mit der entsprechenden ideologischen Würze versehen, serviert werden. Das ist billig, geht schnell und freut die Produzenten. Und da die wenigsten Tagi-Online-Leser auch die New York Times oder die Washington Post lesen, fällt es nicht mal auf…
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