Sind Online-Medien qualitativ gleichwertig wie die Medien der alten Schule? Eine detaillierte Schweizer Studie hat die Antwort: Online-Medien boulevardisieren die Berichterstattung und bieten im Allgemeinen nicht gerade hochwertigen Journalismus. Das scheint sich nicht auszuzahlen: Erstmals gehen nämlich die Nutzerzahlen in der Schweiz zurück.
Die obigen Erkenntnisse (und viele andere) sind im neuen Jahrbuch “Qualität der Medien“ nachzulesen, das am Donnerstag vorgestellt wurde. Wer sich dafür interessiert, was die Schweizer Medien im digitalen Zeitalter A.D. 2011 zu bieten haben, dem sei die Lektüre des umfangreichen wissenschaftlichen Forschungsberichts wärmstens empfohlen.
Ein Zitat:
“Nicht nur die Nutzung der untersuchten Onlinetitel ist 2010 gesunken, auch die jeweilige Verweildauer hat sich seit 2005 immer mehr verkürzt. Denkbar ist hier eine wechselseitige Beziehung zwischen dem Klickratenjournalismus und der geradezu pointilistischen Zugriffsdauer durch ein Publikum, das darüber hinaus hinsichtlich Nutzungsfrequenzen wenig Treue zum Medium beweist. Online ist ein flüchtiges Medium, das gegen eine immer geringere Verweildauer, eine geringe Publikumsbindung und nun auch gegen eine schwindende Nutzung zu kämpfen hat…“
Die Gründe für den Nutzungsrückgang sind sicher nicht nur in der “Flüchtigkeit“ des Mediums zu suchen, sondern eben auch in der Qualität des Gebotenen. Auch diese wurde untersucht:
“Die Boulevardisierung zeigt sich im Ausbau der Softnewsressorts auf Kosten der Hardnewsressorts, in der Füllung der Ressorts Politik und News mit Softnews und in einer im Gattungsvergleich ausgeprägten Personalisierung und Privatisierung der Berichterstattung, die auch die Politikberichterstattung durchdringt. Zudem führt der Aktualitätsdruck zu einem ausgesprochen episodischen Journalismus und die habitualisierte Klickratenmentalität verleitet zu einem moralisch-emotionalen Berichterstattungsstil gerade auch in den Beiträgen mit journalistischer Eigenleistung. Journalistische Eigenleistung ist in vielen der untersuchten Onlinetitel gleichbedeutend mit der Emotionalisierung und Zuspitzung eingehender Meldungen zur Erzeugung von Aufmerksamkeit.“
Die Onlinemedien kommen also im neuen Jahrbuch nicht gerade mit guten Noten weg. Wie wird auf diese fundierte Kritik reagiert?
Die meisten Schweizer Medien reagieren darauf, wie sie eigentlich immer auf Kritik reagieren – sie ignorieren sie. Immerhin griff aber der Chef des Online-Tagi zur Feder und versuchte, den Forschungsberichtzu diskreditieren – was ihm allerdings nicht eben gut gelang.
Als intensive Konsumenten von Online-Medien (und anderen Medien) trauen wir uns das Urteil zu, dass die Wissenschaftler mit ihrem Bericht ziemlich richtig liegen. Dass sie eine Qualitätsverbesserung erreichen, ist allerdings nicht anzunehmen – denn man weiss ja, dass Einsicht der erste Schritt zu Besserung wäre.
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