Dienstag, 26. Mai 2015

Recht auf Vergessen? Was im Netz ist, bleibt im Netz (meistens)

Als Google ziemlich vor einem Jahr vom Europäischen Gerichtshof aufgefordert wurde, Suchergebnisse, die sensible persönliche Daten enthalten, auf Verlangen von Bürgern zu löschen, war das eine Sensation und ein potentiell teurer Rückschlag für das Suchmaschinenunternehmen. Die Europäischen Richter hatten das Recht zum Vergessenwerden legalisiert. Ein Jahr später sieht es ganz so aus, als ob das Recht zum Vergessen in vielen Fällen eher vergessen werden kann.

Das Recht auf Vergessen funktioniert nicht oft - nicht nur wer mit der Konkurrenz
sucht, wird oft fündig.                                                                    Screenshot via Bing
Es tönte vielversprechend, was die Richter im Mai 2014 von sich gaben. Es gebe ein Recht zum Vergessenwerden, betonten sie und urteilten in einem Fall, der schon etwas zurücklag, wie die FAZ berichtete:
“Ein Spanier hatte sich bei der Datenschutzbehörde seines Landes über Google beschwert, weil er seine Privatsphäre verletzt sah. Wenn er seinen Namen googelte, fand er Hinweise auf eine Zwangsversteigerung seines Hauses, die 15 Jahre zurücklag: In Googles Trefferliste stand ein Link auf einen Beitrag der Tageszeitung La Vanguardia aus dem Jahr 1998. Dort wurde die Versteigerung eines Grundstücks angekündigt, weil der Mann zu viele Schulden bei der Sozialversicherung angehäuft hatte. […] Der Streit um Google kam bis zum Europäischen Gerichtshof. Die Richter verpflichteten Google, die Seiten aus der Ergebnisliste zu streichen. Das Gericht sieht Suchmaschinen nicht länger nur als Transporteur der Daten. Als Verarbeiter seien sie dafür mitverantwortlich, was mit den Daten geschieht…“
Schon damals war aber klar, dass die Richter zwar von Google verlangen konnten, dass Suchergebnisse über bestimmte Menschen nicht mehr aufgelistet werden. Die entsprechenden Artikel müssen hingegen aufgrund dieses Urteils nicht aus dem Internet entfernt werden.
Die Folgen dieses eher realitätsfremden Urteils überraschen nicht.
Die meisten Inhalte, die von Google nicht mehr angezeigt werden, können nämlich im Netz weiterhin problemlos gefunden werden – zum Beispiel wenn man mit einer anderen Suchmaschine danach sucht. Aber nicht nur dann: Zeitungen wie der britische Telegraph veröffentlichen zum Beispiel eine ständig aktuell gehaltene Liste aller Artikel (mit Kurzbeschreibung und entsprechenden Namen), die von Google aus den Resultaten entfernt wurden. Dadurch tauchen die entsprechenden Namen auch in einer Google-Suche wieder auf, oft sogar mehrfach.
Auch in der Schweiz hat Google aufgrund des Europäischen Urteils schon Resultate entfernt, wie die NZZ vor einigen Monaten berichtete:
“Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs stiess gerade auch in den Massenmedien auf Kritik, weil es die Informationsfreiheit zugunsten der Privatsphäre einschränkt. Diverse Medienorgane machten es in den vergangenen Monaten publik, wenn sie von einer Löschaktion betroffen waren. In der Schweiz sind die Folgen bisher noch begrenzt. Drei Artikel der NZZ sind aus den Suchergebnissen von Google gestrichen worden.“
Diverse Medienorgane hätten seit dem Urteil bereits öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass sie von einer Löschaktion betroffen worden seien - mit der Absicht, auf das Recht auf Informationsfreiheit zu pochen, heisst es in einem anderen Artikel. Zitat:
“Trotz den Löschaktionen sind die betroffenen Artikel weiterhin auch über die europäischen Google-Adressen auffindbar. Versteckt bleiben sie bloss, wenn ein Suchender den «nackten» Namen einer Person eingibt. Wer etwas komplexere Suchverfahren einsetzt, kommt darum immer noch zu einem umfassenderen Ergebnis.“
Das Recht auf Vergessen im Internet scheint in der Durchsetzung also sehr unrealistisch zu sein.
Google hat aber bereits weit über hunderttausend Gesuche geprüft – und vielen auch stattgegeben.  Womit sich der Internetriese dank den Europarichtern sozusagen zum Suchmaschinengerichtshof gemausert hat, der entscheidet, was angezeigt wird und was nicht. Ein kleiner Trost bleibt: Es funktioniert ja meistens nicht.

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